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Posts tagged Rationalität
Schwebendes Wissen

Das Rezept für eine hitzige Diskussion: Man bringt eine spirituelle und eine weniger spirituelle Person an einen Tisch und stellt die Frage nach der Existenz einer menschlichen Seele.

Natürlich gibt es eine Seele – so die These der spirituellen Person.

Natürlich gibt es keine Seele – so die These der weniger spirituellen Person.

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Museum oder Blindheit

Bisher fokussierten sich meine Artikel rund um den effektiven Altruismus stets auf verschiedene Optionen zur Leidreduktion.

Soll man 1000 Menschen von ihrer Blindheit befreien oder 500 Menschen vor dem Verhungern bewahren?

Soll man in Europa spenden, oder sind die eigenen Mittel in Entwicklungsländern nicht viel effektiver investiert?

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Rationale Gefühle

In den Augen vieler stehen Emotionen im Gegensatz zur Rationalität. Gefühle sind irrational.

Der Denker Eliezer Yudkowsky hält diese Trennung von Emotion und Rationalität für falsch. Emotionen entstehen durch unsere Wahrnehmung der Realität. Wenn diese Wahrnehmung falsch und irrational ist, so sind auch unsere Emotionen falsch und irrational. Wenn diese Wahrnehmung aber der Realität entspricht, so sind die dazugehörigen Emotionen vollkommen rational.

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Distanz der Schlussfolgerung

Evolutionär gesehen verbrachten wir Menschen den Großteil unserer Zeit in Stämmen mit nicht mehr als 200 Menschen. Die Kultur und das Wissen in diesen Stämmen wurden vor allem durch Sprache und Erinnerung miteinander geteilt.

„In a world like that, all background knowledge is universal knowledge. All information not strictly private is public, period.” - Eliezer Yudkowsky in seinem Buch „Map and Territory”.

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Positiver Bias

In Studien hat sich gezeigt, dass sehr viele Personen, die oben genannte Aufgabe auf diese Art und Weise lösen würden. Man überlegt zuerst, welche Regel hinter der Reihenfolge stecken könnte und stellt dann 3 weitere Folgen auf, die dieser Regel entsprechen. Wird alles mit „Richtig“ markiert, so glaubt man, die Regel zu kennen.

Eliezer Yudkowsky bezeichnet diese Vorgehensweise als positiven Bias: Wir suchen immer nach positiven Beispielen, die unsere These bestätigen. Dabei wäre es viel sinnvoller, nach negativen Beispielen zu suchen, die der These nicht entsprechen.

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Wissen wiederfinden

Nehmen wir an, du wirst 100, 200 oder 500 Jahre in die Vergangenheit versetzt. Wie viele Innovationen von heute könntest du in deiner neuen Realität umsetzen?

Könntest du den ersten Fernseher entwickeln? Könntest du den Leuten wissenschaftlich beweisen, wie diverse Gesetze der Physik funktionieren? Könntest du wenigsten den Reißverschluss erfinden?

Aus irgendeinem unerkenntlichen Grund taucht dieses Gedankenexperiment immer wieder in meinen Denkprozessen auf.

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Signale des Beifalls

«Wir brauchen mehr hochwertige Bildung. Technologische Entwicklungen müssen weitaus demokratischer ablaufen. Wir müssen uns um die Verlierer des Systems kümmern.

… »

Wahrscheinlich stimmen die meisten Leser den oben angeführten Aussagen intuitiv zu. Tatsächlich ist genau das auch der Zweck dieser Aussagen.

Eliezer Yudkowsky bezeichnet derartige Statements als Signale des Beifalls. In fast jeder bekannten Rede, jedem berühmten Appel findet man Signale des Beifalls. Es handelt sich dabei um Sätze, die keine Information beinhalten, sondern einfach nur dazu da sind, Zustimmung vom Publikum zu erhalten.

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Beweiserhaltungssatz

Der Energieerhaltungssatz besagt, dass die Gesamtenergie in einem abgeschlossenen System über die Zeit konstant bleibt.

Wie der KI-Forscher und Denker Eliezer Yudkowsky erklärt, gibt es ein ähnliches Gesetz auch für unsere Denkprozesse: Das Gesetz der Beweiserhaltung.

„If you expect a strong probability of seeing weak evidence in one direction, it must be balanced by a weak expectation of seeing strong evidence in the other direction.” - Eliezer Yudkowsky in seinem Buch „Map and Territory”.

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Hypothesen & Passwörter

«Lehrer: Was ist Licht?

Schüler: Licht hat sowohl Wellen- als auch Teilcheneigenschaften. Man spricht vom Welle-Teilchen-Dualismus.»

In unserem Bildungssystem bekommt der Schüler mit dieser Antwort alle Punkte. In der Realität ist seine Antwort meist wertlos – so die These von Eliezer Yudkowsky.

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Missverständnis Bauchgefühl

Situationen, die von Unsicherheit, einer schlechten Datenlage oder einer Unmenge an Optionen geprägt sind, erfordern simple Lösungsmechanismen.

Ein simpler Lösungsmechanismus bedeutet, dass man einfache Regeln anstelle komplexer statistischer Modelle verwendet. Ein simpler Lösungsmechanismus bedeutet aber auch, dass man anders denkt.

„Deliberate thinking and logic is not generally better than intuition, or vice versa. Logic (or statistics) is best for dealing with known risks, while good intuitions and rules of thumb are indispensable in an uncertain world.” – Gerd Gigerenzer in seinem Buch “Risk savvy”.

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Tragödie der Wissenschaftskommunikation

Rationalität hat ein großes Problem. Für eine Person kann es vollkommen rational sein, sich irrational zu verhalten.

Bereits 1968 hat der Mikrobiologe Garrett Hardin dieses Paradoxon als Tragödie des Gemeinguts beschrieben.

Wenn sich mehrere Bauern ein Feld teilen, ist es im Interesse jedes Bauern, das Feld etwas intensiver zu bewirtschaften als die anderen. Dadurch bekommt er höhere Erträge und kann den maximalen Profit aus dem Feld schlagen. Wenn aber alle das tun, wird das Feld binnen einer Saison ruiniert sein.

Der Yale-Professor Dan M. Kahan hat dasselbe Phänomen in der Wissenschaft beobachtet.

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Schockrisiken als Signale

Beim Autofahren passieren viel mehr Unfälle als beim Fliegen. Zigaretten bringen weitaus mehr Menschen um als Terroristen.

Diese Aussagen versuchen Wissenschaftler und Statistiker immer wieder in unsere Gedanken einzupflanzen. Schlussendlich versetzt uns ein Anschlag von Terroristen dennoch in einen Angstzustand und das Abheben des Flugzeuges ist von einem nervöseren Gefühl begleitet als das Starten eines Autos.

Der große Unterschied zwischen uns und den Statistikern: Wir nehmen das Risiko auf einer sehr qualitativen Ebene wahr. Experten hingegen orientieren sich bei ihren Risikoeinschätzungen vor allem an der Anzahl der Todesopfer pro Jahr.

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Ignoranz und Reue

Manchmal ist es vollkommen rational, sich nicht zu informieren. Bei unwichtiger oder schwer zugänglicher Information stellt Ignoranz ein vollkommen rationales Verhalten dar.

Wir Menschen entscheiden uns aber auch immer wieder für Ignoranz, obwohl die Information interessant und frei zugänglich ist.

Viele Eltern wollen vor der Geburt das Geschlecht ihres Kindes nicht wissen. Dabei könnten sie mit diesem Wissen besser für die Zukunft planen und Unsicherheit reduzieren.

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Konsens, Rationalität, Kreativität

Die meisten Menschen treten radikalen Ideen und sonderbaren Innovationen mit sofortiger Ablehnung entgegen. Unsere gesellschaftliche Grundeinstellung gegenüber neuartigen Dingen ist alles andere als positiv.

Die Mehrheit überschätzt also den Wert des Konsenses und bremst innovative und neuartige Ideen.

Wer dieser Mehrheit nicht angehören will, hat zwei Optionen: die rationale Einschätzung oder die kreative Überschätzung.

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Preis der Liebe – Tabuthema

Manche Sachen sind unbezahlbar. Beziehungen, Liebe, Glück – diese Dinge mit einem Preis zu belegen, wirkt unmoralisch und inhuman. Doch es gibt ein Problem.

Konsumenten haben begrenzte Ressourcen, gleichzeitig glauben sie an Faktoren mit einem unbegrenzten Wert. Wenn Konsumenten nun eine Kaufentscheidung in Bezug auf einen derartigen Unendlich-Faktor treffen, ergibt sich ein Schwachpunkt. Genau an dieser Achillessehne können Unternehmen ansetzen und das tun sie auch.

Mit der Problematik der tabuisierten Preise haben sich Philipp Tetlock und Kollegen in ihrem Paper „The price of not putting a price on love“ im Zuge von drei Studien auseinandergesetzt.

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Asymmetrische Waffen und Wahrheit

„Mit manchen Menschen kann man einfach nicht diskutieren. Solche Personen verschließen sich jeder logischen und rationalen Debatte. Über Fakten braucht man erst gar nicht zu sprechen. Aber Fakten und Logik sind den meisten ohnehin vollkommen egal. Wenn man jemanden überzeugen will, braucht es eine passende Inszenierung sowie gute Werbung.“

Derartige Argumente gegen faktenbasierte Überzeugungsarbeit sind keine Seltenheit. Tatsächlich wirkt es oft zwecklos, mit Menschen zu diskutieren.

Das Problem: Wir versuchen zu überzeugen, anstatt uns auf wirkliche Debatten einzulassen. Eine wirkliche Debatte findet nicht statt, wenn man sich bei Protesten gegenübersteht und sich gegenseitig Parolen ins Gesicht brüllt. Eine wirkliche Debatte findet auch nicht auf Sozialen Medien statt.

Eine wirkliche Debatte nimmt die Form einer adversen Kollaboration an.

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Helden, Normen und Tibet

„Die Herrschaft der Mönche in Tibet ist einmalig und läßt sich nur mit einer strengen Diktatur vergleichen. Mißtrauisch wachen sie über jeden Einfluß von außen, der ihre Macht gefährden könnte. Sie sind selbst klug genug, nicht an die Unbegrenztheit ihrer Kräfte zu glauben, würden aber jeden bestrafen, der Zweifel in dieser Richtung äußerte. So waren einige von ihnen mit dem Kontakt, den wir mit der Bevölkerung hatten, durchaus nicht einverstanden. Denn unser Verhalten, das von jedem Aberglauben unbeeinflußt war, mußte ja schließlich den Tibetern zu denken geben. Wir gingen nachts in die Wälder, ohne von den Dämonen bestraft zu werden, wir erkletterten Berge, ohne Opferfeuer zu brennen, trotzdem geschah uns nichts.“ – Heinrich Harrer in seinem Buch „Sieben Jahre in Tibet. Mein Leben am Hofe des Dalai Lama.“

Henrich Harrers autobiografisches Werk über Tibet zeigt unter anderem die unglaubliche Macht von Normen. In Tibet gab es beispielsweise keine traditionelle Polizei, Verbrecher wurden dafür umso härter bestraft – so schlug man besonders gerne Körperteile wie Hände, Füße oder Nase ab und kettete die Verbrecher für den Rest ihres Lebens an eine Fußfessel. Gleichzeitig konnten diese Menschen in der Gefangenschaft ziemlich gut leben – die Tibeter hatten Mitleid und waren sehr spendierwillig, wenn jemand um Almosen ansuchte.

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Mitleidsverlust – ein tödlicher Denkfehler

Wenn wir uns nur über eine einzige Person in Not Gedanken machen, ist das für unseren evolutionär gewachsenen Denkapparat sehr leicht zu bewältigen. Wir fühlen einen klaren Affekt, haben Mitgefühl und wollen dem anderen helfen.

Wie Wissenschaftler aber zeigen, nimmt dieses Mitleid schon ab zwei Personen ab.

Ein Grund dafür ist die Aufmerksamkeit. Wenn es zwei oder noch mehr Personen gibt, denen man helfen soll, kann man sich nicht voll auf eine Person konzentrieren. Dabei ist gerade die Aufmerksamkeit ein so entscheidender Faktor bei der Entstehung von Affekten und Emotionen.

Doch neben der Aufmerksamkeit gibt es noch einen weiteren dezisiven Grund, der zum rasanten Mitleidsverlust führt. In unserem Denken und Fühlen stellt eine einzige Person eine psychologisch kohärente Einheit dar. In eine Person kann man sich leicht hineinversetzen, sich die Lage wirklich vorstellen. Sobald man hingegen eine Gruppe betrachtet, löst sich diese Kohärenz in Rauch auf und man beginnt die Sache nur mehr sehr oberflächlich zu betrachten.

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Wieso wir Genozide ignorieren

Ein Toter ist eine Tragödie, Tausend Tote sind eine Statistik. Diesen Satz als Einleitung zu verwenden, ist zugegebenermaßen ziemlich stumpf. Es ist ein Satz der sich enormer Beliebtheit erfreut, ist er doch einfach zu rezitieren und beinhaltet viel Wahrheit. Doch in der Verwendung dieses Zitats steckt auch eine tragische Ironie: Tausendmal gehört, aber tausendmal ist nichts passiert.

„Nie wieder“, schrien und schrieben die Leute nach dem Holocaust. „Nie wieder“, schreien und schreiben die Leute auch heute noch jedes Jahr bei Gedenkfeiern zu diesem schrecklichen Ereignis. Doch aus „Nie wieder“ wurde der Genozid in Kambodscha in den 1970er Jahren. Daraus wurden der Genozid in Ruanda im Jahre 1994, der Genozid in Zimbabwe im Jahre 2000 und der Genozid in Darfur, der im Grunde bis heute nicht beendet ist.

Das Problem: Die Debatte ist mit dem obigen Zitat meist beendet. Niemand denkt weiter, wieso Tausend Tote nur eine Statistik sind. Niemand überdenkt, was man tun kann, damit sie zu mehr als einer Statistik werden.

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