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Posts tagged Denkfehler
Distanz der Schlussfolgerung

Evolutionär gesehen verbrachten wir Menschen den Großteil unserer Zeit in Stämmen mit nicht mehr als 200 Menschen. Die Kultur und das Wissen in diesen Stämmen wurden vor allem durch Sprache und Erinnerung miteinander geteilt.

„In a world like that, all background knowledge is universal knowledge. All information not strictly private is public, period.” - Eliezer Yudkowsky in seinem Buch „Map and Territory”.

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Positiver Bias

In Studien hat sich gezeigt, dass sehr viele Personen, die oben genannte Aufgabe auf diese Art und Weise lösen würden. Man überlegt zuerst, welche Regel hinter der Reihenfolge stecken könnte und stellt dann 3 weitere Folgen auf, die dieser Regel entsprechen. Wird alles mit „Richtig“ markiert, so glaubt man, die Regel zu kennen.

Eliezer Yudkowsky bezeichnet diese Vorgehensweise als positiven Bias: Wir suchen immer nach positiven Beispielen, die unsere These bestätigen. Dabei wäre es viel sinnvoller, nach negativen Beispielen zu suchen, die der These nicht entsprechen.

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Risiko VS. Unsicherheit

Der intuitive Umgang mit Risiko und Unsicherheit zählt nicht gerade zu den Stärken des menschlichen Denkapparats. Besonders deutlich wird das in Krisenzeiten - der falsche Umgang mit diesen Thematiken ist aber ein alltägliches Phänomen, das uns ständig begleitet.

Der erste Fehler besteht darin, Risiko und Unsicherheit nicht ordentlich zu unterscheiden.

Risiko: Wenn man die möglichen Gefahren und Bruchstellen kennt, spricht man von Risiken. Gute Entscheidungen in einem risikoreichen Umfeld erfordern Logik und statistisches Denken.

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Denken gleich Wunschdenken

Gemäß dem Confirmation Bias fokussieren sich Menschen stets auf Informationen, die ihre bestehenden Glaubenssätze bestätigen. Wir lehnen Widersprüchlichkeiten ab und suchen Verifizierung.

Diese Theorie ist weit verbreitet und klingt logisch. Das Problem: der Faktor der Motivation wird vernachlässigt. Denn wie Karl Friston et al. in ihrem Paper „All thinking is ‘wishful’ thinking” klarstellen, kann man Informationsverarbeitung nie unabhängig von den Zielen der jeweiligen Person betrachten.

Die entscheidende Frage ist, ob die bestehenden Glaubenssätze mit den erwünschten Glaubenssätzen übereinstimmen. Ein Beispiel verdeutlicht diesen Zusammenhang: Der Wetterbericht prophezeit regnerisches Wetter für den morgigen Tag. Dadurch entsteht der Glaubenssatz, dass es morgen regnen wird, auch wenn man sich eigentlich Sonnenschein wünscht. Ein paar Stunden später gibt es einen neuen Wetterbericht, der sonniges Wetter vorhersagt. Diese Info widerspricht der bisherigen Meinung. Aber natürlich wird man diese Information nicht ignorieren, sondern sie mit Freude aufnehmen – schließlich führt sie einen näher zum erwünschten Glaubenssatz.

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Intelligentere Babys & Status-Quo-Bias

Fortschritte in der Gen- und Neurotechnik werden uns in Zukunft vermehrt vor die Frage stellen, ob eine künstliche Erhöhung menschlicher Intelligenz wünschenswert ist. Mal angenommen, so ein Eingriff – ob vor oder nach der Geburt – ist technisch einfach machbar und mit keinen medizinischen Nachteilen verbunden.

Selbst unter dieser Annahme gibt es zwei entscheidende Kritikpunkte.

Wenn nur ein kleiner Teil der Bevölkerung Zugang zu solche Maßnahmen bekommt, wird die Gesellschaft nur noch stärker in Ungleichheit versinken. Die Reichen und Intelligenten werden intelligenter und reicher, die Armen werden zur nutzlosen Klasse – wie Yuval Noah Harari es so treffend formuliert hat.

Wenn hingegen alle Menschen ihre Intelligenz erhöhen, ist der Vorteil so eines Eingriffes ziemlich unklar. Er würde keinen Wettbewerbsvorteil bedeuten, da alle anderen auch gescheiter sind. Des Weiteren ist ja gar nicht auszumalen, wie sich ein allgemeiner Intelligenzanstieg auf unsere gesellschaftlichen Strukturen auswirken würde.

Diese Kritik an der Intelligenzsteigerung wirkt durchaus sinnvoll und lässt im Grunde zwei Schlussfolgerungen zu: Erstens sollten wir die Intelligenz der Intelligenten und Reichen senken. Zweitens sollten wir die allgemeine Intelligenz senken.

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Wieso wir Genozide ignorieren

Ein Toter ist eine Tragödie, Tausend Tote sind eine Statistik. Diesen Satz als Einleitung zu verwenden, ist zugegebenermaßen ziemlich stumpf. Es ist ein Satz der sich enormer Beliebtheit erfreut, ist er doch einfach zu rezitieren und beinhaltet viel Wahrheit. Doch in der Verwendung dieses Zitats steckt auch eine tragische Ironie: Tausendmal gehört, aber tausendmal ist nichts passiert.

„Nie wieder“, schrien und schrieben die Leute nach dem Holocaust. „Nie wieder“, schreien und schreiben die Leute auch heute noch jedes Jahr bei Gedenkfeiern zu diesem schrecklichen Ereignis. Doch aus „Nie wieder“ wurde der Genozid in Kambodscha in den 1970er Jahren. Daraus wurden der Genozid in Ruanda im Jahre 1994, der Genozid in Zimbabwe im Jahre 2000 und der Genozid in Darfur, der im Grunde bis heute nicht beendet ist.

Das Problem: Die Debatte ist mit dem obigen Zitat meist beendet. Niemand denkt weiter, wieso Tausend Tote nur eine Statistik sind. Niemand überdenkt, was man tun kann, damit sie zu mehr als einer Statistik werden.

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Zwang gleich Zufriedenheit

„So not having money was sort of an incentive. You’ve got to design things yourself because you can’t go out and buy stuff like some people can.” – Steve Wozniak im Remarkable People Podcast.

Wenn man der anekdotischen Evidenz Glauben schenkt, führen Knappheit und Beschränkung in vielen Fällen zu den besten und innovativsten Lösungen. Davon berichtet nicht nur Apple-Gründer Steve Wozniak, sondern auch diverse Künstler, Autoren und Unternehmer.

Doch man muss sich nicht auf Anekdoten verlassen. Beweis für den Nutzen von Beschränkungen liefern Ferdinand Rauch et al. in ihrem Paper „The benefits of forced experimentation: striking evidence from the London Underground Network.”

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Affekt-Heuristik & toxische Emotionen

Ein dezisiver Grund, dem eigenen Denken in Krisenzeiten nicht unhinterfragt zu vertrauen, ist die sogenannte Affekt-Heuristik. Investoren halten einen Aktienmarktcrash für wahrscheinlicher, wenn sich in den letzten 30 Tagen ein Erdbeben in der Nähe ihres Wohnortes abgespielt hat. Dabei hat ein lokales Erdbeben so gut wie gar nichts mit der globalen Entwicklung der Aktienmärkte zu tun.

Grund für diese irrationale Entscheidung ist die evolutionär tief verankerte Denkabkürzung des Affekts. Wenn wir eine sehr intensive Emotion wie Angst oder Freude empfinden, übertragen wir diese Emotion auf unser Denken in allen Lebensbereichen, auch wenn die Ursache der Emotion mit diesen Bereichen gar nichts zu tun hat.

Doch die Affekt-Heuristik und ihre Wirkung auf die menschliche Kognition gehen weit über intensive oder offensichtliche Emotionen hinaus, wie der US-amerikanische Psychologe Paul Slovic in seinem Paper „The affect heuristic“ beschreibt.

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Freud & Mesmer - Risiken des Bahnbruchs

„Newton made three bets. One of them worked. But they were all risky.” – Paul Graham in seinem Essay “The Risk of Discovery”.

Heute ist Newton für seine Errungenschaften in der Physik bekannt. Ist doch absurd, dass er sich neben der aussichtsreichen Physik auch mit Alchemie und Theologie befasst hat. Aber eigentlich ist es nicht absurd. Zu seiner Zeit war er in allen drei Gebieten ein Außenseiter, ein Querdenker und kein Konformist.

Wenn man sich in Physik und Chemie mit Atomen beschäftigt, kommt unweigerlich der Name des weisen Demokrit auf, der schon in der Antike die Wahrheit der Atomidee erkannt hat. Doch man muss hier vorsichtig sein. Seine damaligen Vermutungen zum Atommodell beruhten ausschließlich auf philosophischer Denkarbeit. Zu seiner Zeit war das Atommodell nicht die offensichtliche Wahrheit, sondern eine Idee, die mit ähnlicher Wahrscheinlichkeit absoluter Schwachsinn war, wie viele der damaligen Ideen, die wir heute als solchen abtun.

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Rationale Irrationalität – kein Oxymoron!

Rationale Irrationalität. Hört sich stark nach Oxymoron an, erklärt aber viele Mysterien des menschlichen Verhaltens.

Menschen vertreten sehr überzeugt Meinungen, obwohl sie schlecht informiert sind. Sind absolut sicher, dass ihr religiöser Glaube der einzig wahre ist oder wählen Parteien und Politiker, deren Maßnahmen ihnen eigentlich schaden.

Der Grund für dieses Verhalten: Irrationalität ist ein ökonomisches Gut.

Der Begriff der rationalen Irrationalität stammt vom US-amerikanischen Ökonomen Bryan Caplan und geht auf das Konzept der rationalen Ignoranz von Anthony Downs zurück.

Die Theorie der Rationalen Ignoranz nimmt an, dass Information ein ökonomisches Gut ist. Informationsbeschaffung ist also mit Kosten verbunden. Ein gut verdienender Manager wird seine Zeit in der Regel nicht damit verbringen, Informationen zu den neusten Schnäppchen im Supermarkt zu studieren. Die Ignoranz dieser Information ist vollkommen rational, da er die Zeit viel produktiver nutzen kann.

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Meta-Fehlschluss & Hummer

Der kanadische Psychologe Jordan B. Peterson ist wohl einer der umstrittensten Intellektuellen im Internet. Besonders bekannt sind seine Ausführungen zu Hierarchien, Religion oder dem Unterschied von Mann und Frau.

Seiner Ansicht nach sind Hierarchien gut und natürlich. Als Beleg dafür führt er die Hierarchien von Hummern an. Hummer und Menschen haben sich evolutionär vor circa 350 Millionen Jahren mit dem letzten gemeinsamen Vorfahren getrennt und entwickeln sich seither separat. Dennoch haben Hummer Hierarchien und der Bereich ihres Nervensystems, der für die Hierarchien zuständig ist, funktioniert vor allem auf Basis von Serotonin. Peterson argumentiert, dass Menschen und ihre Hierarchien auf dasselbe System zurückzuführen sind.

„Davon abgesehen, dass der Vergleich hinkt, würde der Vergleich selbst hinken, wenn er passend wäre.“ – diesen Satz wollte ich an dieser Stelle ursprünglich schreiben. Ich wollte darüber schreiben, dass Jordan B. Peterson einen naturalistischen Fehlschluss begangen hat.

Doch genau an diesem Punkt kommt der Meta-Fehlschluss ins Spiel, dem ich an dieser Stelle fast zum Opfer gefallen wäre. Mit allen negativen Anschuldigungen und stark wertenden Aussagen, die versuchen Wahrheit von Nichtwahrheit zu trennen, muss man sehr vorsichtig umgehen.

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Rationalität wenn Rationalität gebührt

Sich mit typischen menschlichen Denkfehlern, Biases und kognitiven Verzerrungen auseinanderzusetzen ist essentiell, wenn man gute, rationale und wahrheitsgetreue Entscheidungen treffen will. Doch man darf nicht den Fehler machen, die eigene Rationalität zu überschätzen und evolutionär entwickelte Denk- und Entscheidungsmuster zu unterschätzen.

Es ist zu einfach, diese menschlichen Biases kategorisch als irrationales Verhalten abzutun. Bei den psychologischen Experimenten mit denen man diese kognitiven Verzerrungen feststellt, handelt es sich nämlich immer um einzelne voneinander unabhängige Entscheidungssituationen. Im echten Leben hingegen handelt es sich bei den meisten Entscheidungen um zusammenhängende Themenkomplexe mit vielen sich gegenseitig beeinflussenden Faktoren.

Gerade wenn es aber um große zusammenhängende Themenkomplexe geht, sollte man die natürlichen Entscheidungsheuristiken nicht von vornherein als sinnlos abtun, sondern überdenken, ob nicht doch eine gewisse evolutionäre Rationalität hinter ihnen steckt und das Bauchgefühl eine bessere Entscheidung liefert, als die rational durchdachte Strategie.

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