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Epistemische Aktionen - Denkzukunft

Ein entscheidender Teil unseres Denkens besteht in den Werkzeugen, die uns zur Verfügung stehen. Wir verwenden Stift und Papier, um Skizzen zu malen oder schreiben etwas auf, um es uns besser zu merken.

David Kirsh und Paul Maglio bezeichnen solche Handlungen als epistemische Aktionen. Epistemische Aktionen haben das Ziel, unser Denken zu verbessern.[i]

Eine hilfreiche Skizze gibt ein besseres Bild von einem Phänomen. Das Aufschreiben nimmt Belastung vom Erinnerungsspeicher des Gehirnes.

“You begin to think with the interface, learning patterns of thought that would formerly have seemed strange, but which become second nature. The interface begins to disappear, becoming part of your consciousness. You have been, in some measure, transformed. “ - Michael Nielsen in seinem Artikel “Thought as a Technology”

Allerdings können externe Hilfsmittel das Denken nicht nur erleichtern, effektiver oder effizienter machen. Es gibt auch Denkwerkzeuge, die ganz neue Arten des Denkens eröffnen – sogenannte kognitive Technologien.

Ein perfektes Beispiel hierfür sind grafische Mathematik-Apps wie Desmos. Durch die anschaulichen Darstellungen bekommt man einen ganz neuen Eindruck von bestimmten Phänomenen der Mathematik, die sonst lediglich als Symbole oder ungenaue Skizzen dargestellt werden.

Gerade die Mathematik ist ein enorm gutes Beispiel, wenn es um kognitive Technologien geht. Mathematiker denken in der Regel ganz anders über mathematische Phänomene nach als der Normalbürger. Ganz anders heißt nicht nur, dass sie es besser verstehen. Sie verstehen es auf einer ganz anderen Ebene.

So sind komplexe Zahlen für die meisten eine entfernte Erinnerung aus der Schulzeit. Damals lernte man komplexe Zahlen als eine neue Art der Zahlen kennen – mehr als symbolische Bedeutung hatte das nicht. Mathematiker hingegen bringen komplexe Zahlen beispielsweise sehr eng mit Kreisbewegungen in Verbindung. Wenn sie also über die Multiplikation mit imaginären Zahlen nachdenken, dann denken sie über Bewegungen auf einem Kreis nach.

Durch diese andere Denkweise eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten der Erkenntnis.

Leider ist hier der springende Punkt: Viele Denkweisen sind nur durch eine hohe intuitive Gabe oder geschickte Technologiewerkzeuge zu erreichen.

Die intuitive Gabe der Menschheit wird sich in den nächsten Jahren nicht dramatisch verändern. Was sich aber sehr wohl verändern kann sind unsere kognitiven Technologien.

Hier ist zum einen viel Bestehendes noch nicht ausgeschöpft. So könnte man das Lernen von Coding sehr gut mit dem Lernen von Mathematik verbinden. Indem man das Programmieren auf einem tiefgründigen Level lernt, erhält man nämlich auch einen tieferen Einblick in die dahinterliegende Mathematik.

Zum anderen ist dieser Bereich – obwohl er so wichtig für die kognitive Entwicklung der Menschheit ist, enorm unterschätzt. Kaum jemand arbeitet an Technologien, die neue Arten des Denkens ermöglichen. Dabei sind es gerade diese Technologien, die auf lange Sicht einen enormen Mehrwert bieten.

Was diese Technologien bieten müssen?

Sie müssen die grundlegenden Prinzipien der Thematik verkörpern und sie müssen neue Darstellungsformen bieten, durch die das intuitive Verständnis der Prinzipien begünstig wird.

Zum Weiterlesen und Weiterhören:

http://cognitivemedium.com/tat/index.html

https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdfdirect/10.1207/s15516709cog1804_1

https://www.youtube.com/watch?v=8QiPFmIMxFc

https://www.noahleidinger.com/ideenraum/erweitertes-denken-bewusstsein

[i] Im Gegensatz zu pragmatischen Aktionen die wirklich ein Ziel in der realen Wert verfolgen.