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Gewalt, Macht & Geheimniskonzentration

Macht und Gewalt hängen eng zusammen. Schon seit Urzeiten ist Stärke eine Grundeigenschaft jedes Machthabers. Allerdings gibt es einige entscheidende Unterschiede zwischen Gewalt und Macht.

Denn Macht hat recht wenig mit machen zu tun. Bei der Macht geht es nicht um konkrete momentane Handlungen. Es geht lediglich darum, dass man kann, wenn man will.

Elias Canetti erläutert diesen Unterschied in seinem Buch „Masse und Macht“ anhand des Beispiels von Maus und Katze. Wenn die Katze die Maus erwischt, so befindet sich die Katze in einer Position der Gewalt. Sie kann die Maus umbringen und fressen und hat die totale direkte Kontrolle.

Diese Situation zeichnet die Gewalt aus – es ist eine momentane Situation, in der man direkte Kontrolle ausübt.

Wenn die Katze beginnt, mit der Maus zu spielen, sie laufen lässt und immer wieder einfängt, so begibt sie sich in eine Position der Macht. Macht hat also etwas Geduldiges, sie gibt dem Unterworfenen einen kleinen Schimmer von Hoffnung und einen gewissen Raum an Freiheit. Gleichzeitig behält der Mächtige aber die Kontrolle, er bewacht und kann stets lenkend eingreifen.

Die Macht ist damit so etwas wie die geduldige, indirekte und ausgedehnte Gewalt.

Aus dem Beispiel der Katze leitet Canetti noch eine weitere entscheidende Eigenschaft der Macht ab: das Geheimnis.

Die Katze muss wissen, was die Maus tut und denkt. Die Maus darf aber nicht wissen, was die Katze tut und denkt.

In einer Machtsituation gibt es also immer eine Hierarchie des Durchschauens. Der Machthaber hat den vollen Durchblick, ist selbst aber sehr intransparent.

„Als die Konzentration des Geheimnisses bezeichnet man das Verhältnis zwischen der Zahler derer, die es betrifft, und der Zahl derer, die es bewahren.“ – Elias Canetti in „Masse und Macht“

Genau die Hierarchie des Durchschauens zeichnet Machthaber der heutigen Welt besonders aus. Noch nie in der Geschichte hat es so eine hohe Geheimniskonzentration gegeben. Ob Atombomben, das Mainstream-Internet oder Biowaffen. Alle diese Phänomene betreffen ganze Länder, ja, die gesamte Menschheit. Die Kontrolle darüber und das wirkliche Wissen besitzen aber nur einige wenige Machthaber.

Zum Weiterlesen:

Canetti, Elias: Masse und Macht. München: 2020.