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Überdiagnosebias - der Diagnosehype

Früherkennung ist nicht immer zum Vorteil des Patienten. Das dürfte spätestens nach meinem Artikel zum Vorlaufzeitbias klar sein. Neben den möglichen negativen Effekten für den Patienten selbst ist auch die Täuschung der Gesamtbevölkerung nicht zu vernachlässigen.

So spricht man von einer höheren Überlebensrate, obwohl schlussendlich gleich viele Menschen sterben.

Genau diese beiden Effekte finden sich auch beim Überdiagnosebias wieder.

„Overdiagnosis happens when doctors detect abnormalities that will not cause symptoms or early death.” – Gerd Gigerenzer in seinem Buch “Risk savvy”.

Je besser die Diagnoseinstrumente, desto mehr krankhafte Veränderungen erkennen sie auch. Nur sind nicht alle krankhaften Veränderungen sofort schädlich. Wenn bei einem diagnostischen Verfahren Krankheiten diagnostiziert werden, die für den Patienten weder Symptome noch irgendwelche anderen negativen Effekte bewirkt hätten, so handelt es sich um eine Überdiagnose.

Die Überdiagnose ist abermals für den einzelnen Patienten schädlich. Ihm wird durch die Diagnose eine psychologische Last auferlegt. Er macht sich Sorgen über eine Krankheit, die er ohne Früherkennungsverfahren nicht einmal bemerkt hätte.

Dazu kommt wieder ein statistischer Effekt. In einem Land werden nur Patienten mit Symptomen untersucht. Nehmen wir an, dass von 1000 diagnostizierten Patienten 500 sterben.

In einem anderen Land wird mit Frühdiagnose gearbeitet. Hier überleben von 2000 diagnostizierten Patienten ebenfalls 500.

Was nicht gesagt wird: Beim zweiten Land sind 1000 Patienten enthalten, die eine sehr harmlose krankhafte Veränderung aufweisen. Sie haben weder Symptome noch sonstige Schäden – im ersten Land wären sie also erst gar nicht diagnostiziert worden.

Abermals ist also die Überlebensrate höher, obwohl gleich viele Menschen sterben.

Zum Weiterlesen:

Gigerenzer, Gerd: Risk savvy. How to make good decisions. New York: 2014. [i]

 

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