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Schlafmangel – eine Pessimismustechnik

Dass Schlaf eine essentielle Komponente für hohe Performance und rationale Entscheidungsfindung darstellt, sollte nicht überraschen. Nicht weniger gravierend sind die Effekte von Schlafmangel auf die emotionale und soziale Lage des Schlafarmen, wie Matthew P. Walker et al. in ihrem Paper „Sleep loss and the socio-emotional brain“ illustrieren.[i]

Ein Wenig an Schlaf verändert die emotionale Lage des Betroffenen. Man wird aber nicht nur impulsiver und emotional instabiler – der Emotionswandel zeigt ganz eindeutig in Richtung Negativität. In der Regel führt Schlafmangel zu einem Anstieg negativer bei gleichzeitigem Abfall positiver Emotionen. So besteht ein klarer Zusammenhang zwischen Schlafverlust und Depressionen – auch wenn das Henne-Ei-Problem in diesem Bereich noch nicht gelöst wird und die aktuelle Studienlage auf einen gegenseitig verstärkenden Effekt hinweist.

Evolutionär sind diese Erkenntnisse nicht sonderlich überraschend. Wenn das Gehirn ohnehin nicht erholt ist und mit einem geringen Level an Energie haushalten muss, richtet sich der Fokus auf das Negative – die Gefahren.

Diese Effekte sind bereits für das Individuum ein Problem. Vor allem auf einer sozialen Ebene entfaltet der Schlafmangel aber erst seine gesamten unerwünschten Nebenwirkungen. Der Schlafarme strahlt in der Regel negativere Emotionen aus, wirkt weniger charismatisch, agiert impulsiver und aggressiver. Das beeinflusst auch andere Personen. Laut einer Studie, sind Angestellte unzufriedener mit ihrer Arbeit, wenn sie mit einem nicht ausgeschlafenen Vorgesetzten zu tun haben. Dabei ist den Menschen mit Schlafmangel in der Regel nicht bewusst, dass sie asozial agieren.

Schließlich ergibt sich aus den negativen Effekten des Schlafmangels auch ein Teufelskreis. Menschen mit zu wenig Schlaf sind impulsiver, undisziplinierter und haben Schwierigkeiten, auf kurzfristige Belohnungen zu verzichten. Das führt dazu, dass viele Menschen mit Schlafmangel zu einer Schlaf-Prokrastination neigen – also später ins Bett gehen als sie eigentlich sollten. Das wiederum führt zu einem noch stärkeren Mangel an Schlaf und die Wahrscheinlichkeit von Schlaf-Prokrastination steigt abermals.

Zum Weiterlesen:

https://www.cell.com/trends/cognitive-sciences/fulltext/S1364-6613(20)30055-3

[i] Es handelt sich um einen Review-Artikel, wobei sowohl Schlafmangel in Sachen Quantität als auch in Sachen Qualität beobachtet wurde.