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Partei-Bias und bezahlte Wahrheit

Politische Umfragen verdeutlichen immer wieder einen starken Partei-Bias im Denken von Bürgern. Wähler der CDU betrachten die Leistungen von Angela Merkel in einem ganz anderen Licht als Wähler der AFD. Innerhalb der ÖVP blickt man weitaus unkritischer auf Sebastian Kurz als aus Perspektive der SPÖ.

Doch das Problem sind nicht nur das Licht und die Perspektive. Der Partei-Bias zeigt sich auch in Bezug auf konkrete Fakten.

Beispiel: In einer Umfrage im Jahre 2010 befragte man verschiedene US-Amerikaner nach dem Geburtsland von Barack Obama. Von den befragten Republikanern gaben 45% an, er sei im Ausland geboren, bei den Demokraten lediglich 8%. Ein gleiches Bild zeigt sich auch bei faktischen Befragungen in Bezug auf ökonomische Entwicklungen oder den Verlauf von kriegerischen Auseinandersetzungen.

Diese Unterschiede kommen zu Stande, weil Menschen die Welt durch eine Brille betrachten, die von ihren eigenen Partei-Präferenzen gefärbt ist – so die weitläufige These. Für die Demokratie ist das ein großes Problem. Wähler eines Politikers werden dessen Handlungen immer mit einer positiven Verzerrung betrachten. Für den Politiker bedeutet das: er muss sich nicht sonderlich anstrengen, um seine Wähler zu befriedigen.

Die Lösung: Geld.

Denn wie John Bullock und Kollegen in Ihrem Paper „Partisan bias in factual beliefs about politics“ illustrieren, ist der Partei-Bias mehr Schein als Sein.

In einem Experiment mit 419 US-Amerikanern konnten sie zeigen, dass der Partei-Bias um 55% sinkt, sobald man den Befragten einen ökonomischen Anreiz für richtige Antworten gibt.[i]

Die Theorie der Wissenschaftler: Die Wähler nehmen die Realität nicht unbedingt verzerrt war, sie stellen die Realität lediglich in Umfragesituationen verzerrt dar. Wie ein Sport-Fan, der immer auf der Seite seines eigenen Teams steht – egal wie schlecht selbiges gerade performt – will auch der Wähler seine Partei unterstützen. Wenn er also keinen Anreiz hat, die Wahrheit zu sagen, wird er sagen, was seiner Partei nützt.

Diese Theorie klingt logisch und stimmt mit dem Experiment überein. Allerdings wurde der Partei-Bias im Experiment um 55% reduziert, 45% Verzerrung blieben aber bestehen.

Auch dazu haben die Wissenschaftler eine These.

Wenn ein Bürger bei einer faktischen Frage unsicher ist, dann wird er sich schlussendlich für die Meinung entscheiden, die seine eigene Partei unterstützt. Bei hoher Unsicherheit fällt er also wieder auf den Partei-Bias zurück, da ihm aus finanzieller Sicht egal sein kann, welche der beiden Antworten er wählt.[ii]

Und auch diese These konnten sie in einem Experiment bestätigen. In diesem Experiment konnten die Probanden angeben, die Antwort nicht zu wissen. Dafür bekamen sie weniger Geld als für eine richtige Antwort, aber mehr als für eine falsche.

Das Ergebnis: der Partei-Bias konnte um 80% reduziert werden.

Die Wähler haben also nicht unbedingt einen sonderlich verzerrten Blick auf die Fakten. In den meisten Umfragesituationen ist es lediglich so, dass die Unwahrheit nicht mit Kosten verbunden ist. In diesem Fall ist es vollkommen rational, die eigene Partei zu unterstützen und falsche Antworten zu geben. Wenn es aber einen finanziellen Anreiz für die Wahrheit gibt, beginnen wir plötzlich ganz anders zu antworten, weil die Unwahrheit nun finanzielle Nachteile mit sich bringt.[iii]

Für die Demokratie sind das selten gute Neuigkeiten: Auch wenn Wähler in Umfragen ihre präferierten Politiker und deren Leistungen in einem sehr positiven Licht darstellen, sind sie sehr wohl in der Lage, diese Leistungen auch rationaler zu beurteilen.

Zum Weiterlesen:

https://marginalrevolution.com/marginalrevolution/2013/06/55494.html

https://www.nber.org/papers/w19080

[i] Man hat die Befragten dabei in zwei Gruppen unterteilt. Die erste Gruppe musste die Fragen einfach nach bestem Wissen und Gewissen beantworten, die zweite Gruppe bekam den angesprochenen finanziellen Anreiz für richtige Antworten. Dabei wurde durch jede richtige Antwort die Chance erhöht, einen Amazon-Gutschein im Wert von 200 US-Dollar zu gewinnen.

[ii] Bei hoher Unsicherheit ist jede von zwei Antworten zu circa 50% richtig. Der Erwartungswert beider Antworten ist also derselbe. Allerdings hat die Partei-Bias Antwort den zusätzlichen Vorteil, dass man seine Partei unterstützen kann.

[iii] Dieser Anreiz kann sogar sehr klein sein. Im Falle des Amazon-Gutscheines hatte das richtige Beantworten der Frage einen erwarteten Wert von ca. 17 Cent und dennoch wurde der Partei-Bias substantiell reduziert.