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Effektiver Altruismus - eine Einführung

“If we can prevent something bad, without sacrificing anything of comparable significance, we ought to do it.” – Peter Singer in seinem Buch „The most good you can do“.

Wenn wir etwas Schlimmes verhindern können, ohne dafür etwas mit vergleichbarer Wichtigkeit zu opfern, müssen wir es verhindern. Auf den ersten Blick erregt diese Aussage wenig Aufsehen, die meisten pflichten diesem Statement von Peter Singer wahrscheinlich bei.

Die effektivsten wohltätigen Organisationen können für einen Preis zwischen 20 und 100 US-Dollar verhindern, dass ein Mensch an einem Trachom erblindet. Es kostet circa 50 Cent pro Jahr, um ein Kind zu entwurmen. Für zwischen 900 und 7000 US-Dollar retten effektive Organisationen das Leben eines Menschen.

Plötzlich bekommt das Statement von Peter Singer eine ganz andere Intensität.

Darf ich neue Kopfhörer anschaffen, wenn ich mit demselben Geld mehrere Menschen vor dem Erblinden retten kann? Darf ich mir den Starbucks-Kaffee kaufen, wenn ich um den gleichen Preis einige Kinder entwurmen kann? Hat mein neues Auto eine vergleichbare Wichtigkeit wie das Leben eines Menschen?

Genau diese Fragestellungen sind die Grundlage der Bewegung des effektiven Altruismus.

Die Mitglieder dieser Bewegung halten das Leid anderer für so wichtig, dass sie bereit sind, ihren eigenen Lebensstil anzupassen. Sie schrauben ihren Konsum zurück, leben ein bescheidenes Leben und investieren einen signifikanten Anteil ihres Gehalts in wohltätige Zwecke. In dieser Hinsicht unterscheiden sich effektive Altruisten nicht von anderen Altruisten.[i]

Die Mitglieder dieser Bewegung investieren aber nicht in irgendwelche wohltätigen Zwecke. Sie sind Utilitaristen. Das Ziel besteht darin, so viel Gutes wie möglich zu tun. So viel Gutes wie möglich bedeutet, die maximale Menge an Leid auf der Welt zu eliminieren.

Denn für mehrere Tausend Euro kann man einen Blindenhund in Europa trainieren oder mehrere Menschen in Entwicklungsländer vor Blindheit bewahren. Für Millionenbeträge kann man tausende Menschen in Entwicklungsländern retten oder eine Person mit einer seltenen Erkrankung in den USA.

Viele erachten eine derartige Abwägung von Leben als unmoralisch. Effektive Altruisten halten aber das Leben von Menschen in Entwicklungsländern für ähnlich wichtig wie das Leben der eigenen Mitbürger. Wenn man in Entwicklungsländern eine weit größere Menge an Leben retten kann, so ist das die utilitaristisch rationale Entscheidung.

Und genau dieser Aspekt zeichnet die effektiven Altruisten aus. Sie lassen sich nicht von emotionale Werbekampagnen treiben, sondern investieren dort, wo nachweislich am meisten Leid reduziert wird. Sie gehen die Frage der Wohltätigkeit mit Statistiken anstelle von emotionsgeladenen Bildern an.

Hier unterscheiden sich effektive Altruisten stark von anderen Personen mit altruistischen Ambitionen. Letztere arbeiten oft selbst im Sozialbereich und helfen anderen Menschen direkt. Viele effektive Altruisten halten das für ineffizient. Sie gehen beispielsweise in das Bankwesen, um möglichst viel Geld zu verdienen. Von diesem Geld spenden sie dann einen Großteil und können so weit mehr Leid reduzieren als mit direkter Hilfe.

Zum Weiterlesen:

Singer, Peter: The most good you can do. How effective altruism is changing ideas about living ethically. New Haven: 2015.

https://www.givewell.org/how-we-work/our-criteria/cost-effectiveness

https://www.thelifeyoucansave.org/blog/how-much-are-we-willing-to-spend-to-save-a-life

[i] Man kann argumentieren, dass es keine Altruisten gibt, weil Menschen sich nur für andere engagieren, um sich selbst zu befriedigen. Das mag richtig sein oder nicht, tut dem Argument aber keinem Abbruch. In diesem Artikel wird der Begriff praktisch verstanden: Wer zu einem signifikanten Ausmaß für das Wohlbefinden anderer handelt ist also ein Altruist.