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Externalitäten – Darien & Glasgow

Wirtschaftliche Externalitäten und unsichtbare Konsequenzen sind ein entscheidender Faktor ökonomischer Zusammenhänge. Unter Externalitäten versteht man Effekte einer wirtschaftlichen Handlung, die nicht die Beteiligten der Handlung selbst betreffen, sondern andere Akteure, die damit eigentlich gar nichts zu tun haben.

Bestes Beispiel für Externalitäten sind die sogenannten „Tragödien des Gemeinguts“.

Die Darien Gap ist das wohl berüchtigtste Stück Regenwald dieser Erde. Schottland ging an einer gescheiterten Exploration in Darien zu Grunde. Flüchtlinge, die über Darien von Süd- nach Nordamerika fliehen, fürchten die Region bis heute. Das kleine Stück Land liegt zwischen Panama und Kolumbien und ist geprägt durch Ausbeutung natürlicher Ressourcen, Brutalität und ein komplettes Versagen jeglicher staatlicher oder gesetzlicher Ordnung.

Das Gebiet könnte wirtschaftlich florieren und hat neben wertvollem Regenwaldholz auch beträchtliche Goldvorkommen aufzuweisen. Doch Darien ist seit jeher ein Raum, der unter wirtschaftlichen Externalitäten leidet. Anstatt zu kooperieren oder nachhaltig zu wirtschaften, versucht jeder seinen Teil des natürlichen Reichtums abzuschröpfen. Eine unkontrollierte Abholzung des Regenwaldes sowie eine wirtschaftlich und gesellschaftlich prekäre Lage sind die Folgen. Das Problem sind Externalitäten – jeder denkt nur an seinen eigenen Nutzen, bedenkt aber nicht, dass langsam aber sicher alle natürlichen Schätze zerstört werden. Den Nutzen für einen gefällten Baum hat ein Einzelner, die Kosten für den langfristigen Umweltschaden trägt die gesamte Bevölkerung.

Doch Externalitäten sind nicht immer negativer Natur. Anfangs des zwanzigsten Jahrhunderts war Glasgow eine europäische Vorzeigestadt. Geprägt von einer starken Schiffbauindustrie, innovativen Denkern und spannenden Entwicklungen in Kunst und Kultur.

Dass es Glasgow so weit bringen konnte, hängt mit Externalitäten zusammen. Den ersten Aufschwung bekam Glasgow durch den Tabak-Handel. Und obwohl dieser Sektor im Zuge der US-amerikanischen Unabhängigkeit immer unwichtiger wurde, hat er diverse positive Effekte in Form von Infrastruktur, reichen Unternehmern und technologisch versierten Arbeitern hinterlassen. Eine florierende Industrie an dampfgetriebene Webstühlen etablierte sich und auch dieser Sektor brachte viele positive Effekte mit sich. Denn die Expertise rund um Dampfmaschinen und Metallbearbeitung öffnete die Tür zum größten Boom der Stadt – dem Dampfschiffbau. In den 1860er Jahren produzierte Glasgow 200 Schiffe pro Jahr.

Die Betriebe waren nicht nur selbst erfolgreich, sie halfen mit ihrem Erfolg auch dem Rest der Gesellschaft. So entwickelten sich durch den florierenden Schiffsbau eine Arbeiterschicht mit hohem technologischem Know-How und gut ausgebaute Lieferketten.

Doch nach dem zweiten Weltkrieg begann Glasgow langsam aber sicher an Fahrt zu verlieren und ist heute das ziemliche Gegenteil einer Vorzeigestadt - mit einer hohen Arbeitslosigkeit und magerer industrieller Aktivität. Das Problem ist dasselbe wie bei negativen Externalitäten – niemand fühlt sich verantwortlich.

Früher war es ausreichend, das zu tun, was die benachbarten Schiffsbauer taten. Man wendete bestehende Technologien an und schwamm auf der Welle des Erfolges mit. Eigentlich wäre die Ausgangslage nach dem Zweiten Weltkrieg perfekt gewesen. Werften in Japan und Deutschland waren vollkommen zerstört worden und Glasgow war für seine gute Qualität bekannt. Doch Japan und Deutschland waren schnell wieder auf den Beinen und haben nicht nur alte Werften wiederaufgebaut, sondern ganz neue Betriebe nach den modernsten Standards erschaffen.

Genau an diesem Punkt haben die Glasgower schließlich den Anschluss verpasst. Wer die positiven Externalitäten gewohnt ist, tut sich schwer, neue radikale Innovationen zu etablieren, die der Tradition widersprechen.

Externalitäten können sich sowohl positive als auch negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken. Doch egal ob positiv oder negativ – Externalitäten führen fast immer zu einem gewissen Level an individueller Verantwortungslosigkeit. Darum braucht es intelligente organisatorische Systeme, um negative Externalitäten zu bekämpfen und positive Effekte zu bewahren.

Zum Weiterlesen und Weiterhören:

Davies, Richard: Extreme Economies: Survival, Failure, Future. Lessons from the World’s Limits. London: 2019.

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