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Denkende Körper

Ein Faktor, der in der gesamten Debatte rund um die voranschreitende Digitalisierung gerne verloren geht, ist der Körper.

Dabei reicht ein Blick in den Alltag, um zu erkennen, dass wir mehr wissen als wir formulieren können. So kann niemand vollkommen exakt erklären, wie er Rad fährt, schwimmt oder läuft. Wir denken also mit unserem Körper.

Was hat das aber mit Digitalisierung zu tun? Wenn wir am Computer oder dem Smartphone arbeiten, verwenden wir für verschiedenste Aufgaben dieselben Bewegungen. Ob wir schreiben, rechnen oder spielen – wir arbeiten immer mit Maus und Keyboard beziehungsweise einem Touchscreen.

„But, with a keyboard and mouse interface, the use of our bodies for writing a paper is the same as for editing photographs. And playing music. And communicating with friends and family. And anything else that one might want computation for.“ – Björn Hartmann et al. in ihrem Paper „How Bodies Matter: Five Themes for Interaction Design”

Ein Bereich, der dadurch betroffen ist: die Bildung. So zeigen Studien mit Kindern, dass reale Objekte zum Experimentieren mit Zahlen den mathematischen Lernfortschritt um einiges verbessern. Diese Erkenntnis wird beispielsweise in der Montessoripädagogik intensiv verwendet. Bei digitalen Lernprogrammen fällt dieser taktile Aspekt weg.

Doch unser Körper ist nicht nur beim Lernen ein hilfreicher Begleiter. So hat beispielsweise das Gestikulieren nicht nur eine kommunikative Funktion, sondern hilft dabei, die kognitive Belastung des Redners zu verringern. In Anlehnung daran zeigen Studien, dass Personen mit mobilen Telefonen kreativer und offener sprechen als mit traditionellen Festnetztelefonen.

Mit den Händen auf dem Keyboard vor einem Computerbildschirm zu sitzen, hat also potentiell negative Effekte für unsere Kreativität.

Doch nicht nur unsere Kreativität schränken unflexible Digitalgeräte ein. Auch unser Erinnerungsvermögen kann durch sie nicht zur Gänze ausgeschöpft werden.

Denn ein enorm wichtiger Bestandteil unseres Gedächtnisses ist das motorische Gedächtnis – jene Erinnerungen, die uns erlauben, zu laufen oder Fahrrad zu fahren.

Allerdings benötigt der Körper eine Differenzierung zwischen verschiedenen Aufgaben, um eine motorische Erinnerung aufbauen zu können. Wenn ich bei allen Aufgaben die gleiche Tipp-Bewegung durchführe, kommt die motorische Erinnerung nicht zum Tragen.

Zum Weiterlesen:

http://worrydream.com/refs/Klemmer%20-%20How%20Bodies%20Matter.pdf