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Gute Zäune, gute Nachbarn - Patente

“Good fences make good neighbors.” – Robert Frost in seinem Gedicht “Mending Wall”

Gute Zäune sorgen für gute Nachbarn. Schlechte Zäune verursachen das Gegenteil. Ein Hauptargument für Patente ist ihre Funktion als guter Zaun. Indem Patente Wissen absichern, machen sie es leichter, das Wissen zu teilen. Sie fördern damit Kommunikation und Zusammenarbeit. Keiner hat Angst, dass ihn der andere über den Tisch zieht, weil er durch seine Patente geschützt ist.

So führen die Grenzen der Patente paradoxerweise zu mehr offener Innovation. Denn Patente haben die überaus attraktive Eigenschaft, dass sie Wissen gleichzeitig veröffentlichen und schützen. Und Patente veröffentlichen nicht nur das Know-How, sie veröffentlichen auch das Know-Who, wodurch passende Partner besser zueinander finden und kollaborieren.

Allerdings ist die Sache nicht ganz so einfach. Nicht so einfach, weil Patente nicht automatisch gute Zäune sind. Julien Pénin und Daniel Neicu argumentieren in ihrem Paper „Patents and open innovation: bad fences do not make good neighbors”, dass viele Patente sogar denkbar schlechte Zäune sind.

Ein guter Zaun muss Grundstücke klar abgrenzen. Damit ein Zaun zu guter Nachbarschaft führt, muss außerdem klar sein, wem welches Grundstück gehört. Nur so kann ich Abmachungen mit meinen Nachbarn treffen. Auch muss klar sein, welche Grundstücke schon existieren und welche als freies Stück Land bestehen.

Genau diese Eigenschaften muss auch ein gutes Patent haben. In manchen Branchen wie der Medizin oder Chemie passen viele Patente tatsächlich in dieses Muster eines guten Zauns.[i]

Wenn es aber beispielsweise um den IT-Sektor geht - man es mit Software und ähnlich vagen Innovationen zu tun hat - ist schon die abgrenzende Eigenschaft der Zäune nicht gegeben. In diesen Branchen gibt es teilweise Patent-Dokumente mit mehr als 100 Seiten. Man würde meinen, dass durch die Länge und ausführliche Dokumentation Klarheit entsteht, in vielen Fällen führt eine derartige Länge aber zu unnötiger Verwirrung.

Teilweise ist diese Verwirrung sogar erwünscht, wie das Phänomen der Präventiv-Patente illustriert. Derartige Patente werden eingereicht und absichtlich vage gehalten, weil eigentlich keine wirkliche Innovation besteht. Wenn dann eine wirkliche Innovation auftaucht, greifen Firmen auf ihre Präventiv-Patente zurück und beanspruchen einige Teile der neuen Innovation als die ihrigen – was man aufgrund der Vagheit nicht abstreiten kann.

Selbst gutwillige Firmen können unter den unübersichtlichen Patentgrenzen schnell den Überblick verlieren. So hat Kodak 1976 ein Produkt auf den Markt gebracht, das den Polaroid-Kameras Konkurrenz machen sollte. Dazu hat Kodak sogar Patent-Anwälte angestellt, die jegliche Patentverletzungen prüften. Schlussendlich wurde Kodak aber verklagt und vor Gericht verurteilt, was einen Schaden im hohen dreistelligen Millionenbereich bedeutete.[ii]

Doch nicht nur Patente selbst sind undurchsichtig. Auch die Landschaft an möglicherweise relevanten Patenten ist heute nicht mehr zu durchforsten. In einer Studie aus dem Jahr 2012 haben Wissenschaftler gezeigt, dass ein Softwareunternehmen vor der Veröffentlichung eines neuen Produkts derartig viele Patente auf eine mögliche Verletzung untersuchen müsste, dass dazu mehr Patentanwälte nötig wären als in den USA existieren.

Durch diese Faktoren werden alle positiven Effekte der Patente nichtig gemacht. Es ist nahezu unmöglich, die relevantesten Partner für Kollaborationen zu finden. Selbst wenn man mit einem Partner Vereinbarungen abschließt, kann es sein, dass man hundert andere Patente verletzt.

Die Lösung dieser Probleme besteht zum einen in besseren Patentdatenbanken, die das Suchen von relevanten Erfindungen vereinfachen. Auch müssen Phänomene wie die präventive Patentanmeldung unterbunden werden. Schlussendlich gibt es aber einfach zu viele Patente. Eine wirkliche Lösung wird also erst entstehen, wenn man die Anzahl an Patenten reduziert.

Doch auch hier sind die Interessen in einer Schieflage. Die Boni von Patentprüfern sind sehr oft an die Anzahl der überprüften Patente gebunden. Das Problem ist nur, dass die Ablehnung eines Patentes normalerweise aufwendiger ist als die Zulassung. So muss man bei der Ablehnung oft viel ausführlichere Reports schreiben als bei einer Zulassung. Die Patentprüfer haben also kein sonderlich hohes Eigeninteresse, die Anzahl an Patenten zu limitieren.

Zum Weiterlesen und Weiterhören:

https://www.cairn.info/revue-journal-of-innovation-economics-2018-1-page-57.htm

https://library.ryerson.ca/asc/2013/08/kodak-versus-polaroid-the-battle-for-instant-photography-2/

https://poets.org/poem/mending-wall

https://www.econtalk.org/robin-feldman-on-drug-patents-generics-and-drug-wars/

[i] Auch wenn es hier unzählige andere Missstände gibt. Siehe e.g. den letztgenannten Link.

[ii] Der Richter lobte Kodak sogar für ihren Due-Diligence-Prozess, hatte aber einfach eine andere Meinung als die Anwälte.