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Mikrotargeting - eine Phantasie

Soziale Netzwerke rund um Facebook und Co. standen im Zuge der letzten Jahre immer wieder für ihre Werbepraktiken in der Kritik. Besonders kritisch: Politische Werbung und Mikrotargeting.

Durch soziale Netzwerke wurde es erstmals möglich, Werbebotschaften sehr gezielt auf einzelne Wählergruppen abzustimmen. In der Theorie ist das hoch effektiv – schließlich kann man den Wähler mit genau jenen Botschaften erreichen, die ihn am meisten betreffen.

In Bezug auf die Effektivität scheint das Mikrotargeting also das absolute Gegenteil der gängigen Marketingpraktiken zu sein. Denn in der Regel sind politische Werbekampagnen sehr ineffizient und weisen nur sehr kleine Effekte auf.

Die gewöhnliche Erklärung dafür: Es ist schwer Menschen mit Botschaften zu überzeugen, die auf eine breite Masse ausgelegt sind. Im Durchschnitt erzielen die Werbekampagnen also geringe Effekte, für bestimmte Gruppen sind sie aber hocheffizient.

Diese These klingt zwar theoretisch sehr logisch, lässt sich aber in der Praxis mehr schlecht als recht belegen. So haben Alexander Coppock und Kollegen im Zuge eines kürzlich erschienen Papers 59 Experimente mit 34000 Menschen durchgeführt.[i]

Die Ergebnisse sind durchaus erstaunlich: Im Durchschnitt hatten die Werbungen einen geringen aber statistisch signifikanten Einfluss auf die Präferenzen der Wähler. Viel entscheidender ist aber, dass dieser Einfluss durch die Bank recht homogen war.[ii]

Es gab also keine großen Unterschiede in Bezug auf unterschiedliche Gruppen von Wählern – die Werbungen waren meist effektiv, aber nur in einem sehr geringen Ausmaß.

Zum Weiterlesen:

https://advances.sciencemag.org/content/6/36/eabc4046/tab-pdf

[i] Das Paper trägt den passenden Titel „The small effects of political advertising are small

regardless of context, message, sender, or receiver: Evidence from 59 real-time randomized experiments.” Obwohl das Paper erst kürzlich erschienen ist, liefen diese Experimente parallel zum US-Präsidentschaftswahlkampf des Jahres 2016 ab.

[ii] Natürlich muss man anmerken, dass die Forscher kein wirkliches Mikrotargeting betrieben haben. Ihre Zahlen sind aber auf jeden Fall ein Argument gegen die weit verbreitete Hypothese der heterogenen Effektivität von Wahlwerbung.