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Hempels Rabenparadox

«Mehr Evidenz ist immer gut. Je mehr Belege es für die eigene These gibt, desto valider ist die These.»

“Contrary to conventional wisdom, our body of knowledge does not increase from a series of confirmatory observations […].” – Nassim Taleb in seinem Buch “The Black Swan”.

Wie Nassim Taleb richtig anmerkt, ist die weitläufige Glorifizierung von Beweisen und Belegen in einem Großteil der Fälle nicht gerechtfertigt. Denn Millionen Beweise für eine These können von einem einzigen Gegenbeispiel widerlegt werden. Noch mehr Beweise zu sammeln hilft also nicht, hilfreich ist vielmehr die Suche nach Gegenbeispielen und Falsifizierung.

Ein besonders anregendes Beispiel für die teilweise Absurdität der Bestätigungsdenkweise ist Hempels Rabenparadox.[i]

Die Grundthese lautet, dass alle Raben schwarz sind. Wenn ich also einen schwarzen Raben sehe, bestätigt das meine These und erhöht die Wahrscheinlichkeit ihrer Richtigkeit.

Wenn aber alle Raben schwarz sind, sind alle nicht-schwarzen Objekte keine Raben. Wenn ich also ein nicht-schwarzes Objekt sehe, das kein Rabe ist, bestätigt das meine These ebenso.

Ergo: Wenn ich einen roten Ferrari oder eine weiße Wand sehe, erhöht das die Validität der These, dass alle Raben schwarz sind.

Klingt absurd, nach der weit verbreiteten Bestätigungslogik ist diese Schlussfolgerung aber korrekt.

Fast noch absurder wirkt folgendes Beispiel.

Die Grundthese lautet, dass alle Raben schwau sind. Die Raben sind also heute schwarz und ab morgen sind sie alle blau. Wenn ich heute einen schwarzen Raben sehe, ist das eine Bestätigung für meine These, dass alle Raben schwau sind – genau wie es eine Bestätigung dafür ist, dass alle Raben schwarz sind.

Ob schwarz oder schwau macht aus Sicht der Evidenz keinen Unterschied – beide Thesen werden durch die Sichtung von schwarzen Raben bestätigt.

Durch dieses zweite Beispiel wird ein weiteres großes Problem der Bestätigungslogik deutlich: Dieselben Beweise können als Beleg vieler verschiedener Thesen dienen.

Zum Weiterlesen:

https://plato.stanford.edu/entries/confirmation/#TwoParOthDif

Taleb, Nassim Nicholas: The Black Swan. The Impact of the Highly Improbable. London: 2008. [ii]

[i] Benannt nach dem deutschen Philosophen Carl Gustav Hempel.  

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